Atlas eines Territoriums, das existiert, aber dennoch nicht ist
DIE WEGSTRECKE DIESES AUDIOGUIDES VERKÖRPERT ein TERRITORIUM, DAS hier IST, UND DOCH NICHT hier IST – aufgrund von politischen Kämpfen von Akteuren, welche die Gastfreundschaft (gegenüber Flüchtlingen) beeinflussen, die unbemerkt und inoffiziell erfolgt und dennoch Europa und die Welt grundlegend verändert.
Jeder der folgenden „SCHAUPLÄTZE“ dieses Audioguides steht für ein Plädoyer für andere Vorstellungen und Visionen von TERRITORIUM, die auf Beziehungen vielmehr als auf Ausnahmeerscheinungen basieren.
1
Die Plattform für Orientierungslosigkeit bzw. Neuorientierung
Symbolisiert das Verhandeln geografischer Vorstellungen, wenn die Bewegungen von Menschen in Widerspruch zu Absichten stehen und doch miteinander in Dialog treten müssen. In einem weltweiten Kontext historischer Verschiebungen wird Orientierung zu einem konstanten Prozess des Wandels in Bezug auf das Andere.
2
Zugehörigkeitsstufen
Widmet sich Aktionen der Solidarität, die trotz der zunehmenden Sicherheitsüberprüfung und Überwachung grenzüberschreitender Migrationsbewegungen an Bahnhöfen und Grenzorten in Europa zu finden sind. Es wird die Kriminalisierung von Solidarität hinterfragt – die sogenannten „Solidaritätsverbrechen“1, für die Menschen in ganz Europa inhaftiert werden –, was unsere Möglichkeiten zur aktiven Ausübung des Bürgerrechts und zu gesellschaftlichem Engagement beschneidet. Das Wort Solidarität kommt von dem lateinischen Wort „solidum“, was „Münze“ bedeutet, doch im Frankreich des 18. Jahrhunderts wurde es zur Bezeichnung der Pflichten verwendet, die man in der Gemeinschaft hat. Im römischen Recht bedeutet der Ausdruck „in solidum obligari“, dass die Schuldner persönlich für die gesamte Schuld haften: Jeder von ihnen ist für die Schuld eines jeden anderen Mitglieds der Gruppe verantwortlich.
3
Pfeiler des Versprechens
Konfrontieren den schizophrenen Daseinszustand in einem Europa, das „Sicherheit, Freiheit und Gerechtigkeit“ in einem Umfeld zunehmender Überwachung, abgeriegelter öffentlicher Plätze, wachsenden Rassismus, verstärkten Nationalismus und undurchsichtiger bürokratischer Strukturen bei der Wahrnehmung des Bürgerrechts verspricht. Es wird auch Europas Rolle in der Welt in Bezug auf „geteilte Verantwortung“ wegen der Bedingungen in Frage gestellt, die zu globalen Migrationsbewegungen führen (zum Beispiel historische Methoden des Sklavenhandels, wirtschaftliche Ausbeutung, Kriege im Namen der Demokratie, Waffenhandel, um nur einige zu nennen).
4
Bank der Un-/Sichtbarkeit
Spricht die tägliche Taktik der Täuschung als unvermeidbarer Zustand des täglichen Aufenthalts derer an, die nicht die von den EU-Staaten zum Verbleib in Europa geforderten „richtigen“ Dokumente besitzen. Es wird ihr Entfernen aus dem öffent-lichen Raum und ihre Existenz am Rand der Gesellschaft als Konsequenz eines kollektiven Narzissmus im weißen Europa behandelt.
5
Spirale der Gastfreundschaft
Ist eine Kritik an den explosionsartig zunehmenden rechtlichen Verfahren, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen verbunden sind.
6
Pfad der Befragung
Zoomt in das erste Registrierungsformular (C3) hinein, das von den Flüchtlingen bei ihrer Ankunft in einem EU-Staat ausgefüllt werden muss (in diesem Fall Italien). Wir hinterfragen die Annahme einer linearen Biografie, die in diesem Formular stillschweigend vorausgesetzt wird, was eine Vielzahl von Schilderungen und Zeugnissen kultureller, sprachlicher und biografischer Erfahrungen in Abrede stellt, während das Subjekt auf ein Objekt der Befragung reduziert wird.
7
Wanderzirkel
Ist eine offene Einladung, den derzeitigen Moment von Migrationsbewegungen mit der eigenen Biografie zu verknüpfen. Es ist eine Umkehrung des Blicks von dem „migrantisch Fremden“ zu einem weltläufigen Europa, das auf historischen Migrationsbeziehungen (im Zusammenhang mit Kolonialismus, Krieg, Handel) gründet, welche unweigerlich Begebenheiten und Geschichte auf sehr intime Weise miteinander verweben und überlagern. Es ist ein Aufruf, eine praktikable politische Zukunft neu zu denken, die auf Vorstellungen von Wechselbeziehungen und nicht etwa von politischer Vormachtstellung basiert.